Liberalismus vs. Populismus
Wer ist «näher» bei den Menschen – der Liberale oder der Populist?
Das hängt davon ab, wie viel Freiheit wir dem Einzelnen zugestehen wollen.
Es ist kein Geheimnis, dass der Liberalismus und die populistischen Strömungen das «Heu nicht auf der gleichen Bühne» haben. Der Wettbewerb um echte Volksnähe hat sich in jüngster Zeit in mehreren Ländern deutlich zugespitzt. Wir Liberalen müssen besser aufzeigen, dass nicht Populismus, sondern nur der Liberalismus echte Volksnähe und echte Lösungen bieten kann. Es genügt nicht den Populismus zu bekämpfen, sondern wir müssen einfach besser sein!
«Liberalismus» leitet sich vom lateinischen Wort für «Freiheit» ab. Der Liberalismus ist eine Weltanschauung, die die Freiheit des Individuums ins Zentrum stellt. Der Populismus wiederum entstammt dem lateinischen Begriff für «Volk». Demnach können wir sagen, dass ein Populist sich dem «Volk» verbunden fühlt und für sich in Anspruch nimmt, den Menschen nahe zu sein.
Aber wer ist denn nun «näher» bei den Menschen – der Liberale oder der Populist? Das hängt davon ab, wie viel Freiheit wir dem Einzelnen zugestehen wollen. Wir Liberale sehen den Menschen als aufgeklärtes und eigenverantwortliches Individuum, und wollen ihm möglichst viel Freiheit zugestehen. Er braucht nicht geführt oder verführt zu sein. In einem liberalen System ist die Gemeinschaft erfolgreich, gerade weil das Individuum ausgedehnte Freiheiten kennt.
Der Populismus hingegen vertritt ein eher kollektivistisches Menschenbild, ein «Denken in Gruppen». Im Vordergrund steht also nicht das Bedürfnis des Einzelnen, sondern der Wille des «Volkes». Hier muss man sich aber die Frage stellen: Wer sagt denn nun, was dieses «Volk» will? Es sind die Populisten, die sich zum Sprachrohr einer Gruppe machen, die sie selbst definiert haben. Sie erwecken gerne den Eindruck, der Populismus komme aus dem Volk selber.
Tatsächlich aber wird die Bevölkerung instrumentalisiert. Statt vom einzelnen Menschen auszugehen, stellen linke oder rechte Populisten das Volk als einen Block dar. Das ist falsch, denn es wollen nun mal nicht alle dasselbe. Der Liberalismus ist letztlich näher bei den Menschen. Denn er legt nicht jeder Person in den Mund, was sie zu wollen oder zu meinen hat.
Warum aber fordert uns der Populismus so sehr? Weil Liberalismus auch Individualismus und damit Ungleichheit und Scheitern akzeptiert. Für Populisten dagegen gibt es nur den einen vorgegebenen Weg. Es braucht keine anderen Meinungen, keine Debatte. Wer eine andere Meinung hat, gehört nicht zum «Volk». Populisten tun sich daher schwer mit konstruktiver Politik und dem Finden von Kompromissen. Im Extremfall führt das zu einer «Diktatur der Mehrheit».
In einer liberalen Demokratie wirken wir dem entgegen, indem der Machtanspruch der Politik durch die Verfassung eingeschränkt wird. Für Populisten steht hingegen der von ihnen erklärte «Volkswille» im Zweifelsfall über den Verfahrensregeln der Verfassungsdemokratie. Und damit stellen sie grundlegende Errungenschaften unserer liberalen Gesellschaft in Frage.
Wir Liberale tun uns auch deshalb schwer mit Populisten, weil sie Instrumente anwenden, die wir bewusst vermeiden. Der Populismus lebt von überspitzten Feindbildern, Emotionen und «geschönten Fakten». Wir Liberale versuchen, solche pauschalen Feindbilder, Halbwahrheiten und Emotionen auszublenden, weil sie der seriösen Arbeit nicht förderlich sind. Deshalb tun wir uns schwer damit, wenn ein Politiker daherkommt und genau diese Instrumente anwendet.
Möglicherweise müssen wir uns aber daran gewöhnen, dass Provokationen, Polarisierungen und inhaltsleere Rhetorik auch in Zukunft zum politischen Alltag gehören. Wir sollten uns aber nicht beklagen, sondern Lehren daraus ziehen. Denn populistische Strömungen sind oft eine Reaktion auf Dinge, die auch in liberalen Demokratien grundlegend falsch gelaufen sind.
Das heisst aber nicht, dass wir Liberale auch zu Populisten werden sollten. Denn Liberalismus ist und bleibt ein Erfolgsrezept: Er gibt nicht nur vor, nahe beim Menschen zu sein, sondern er ist es auch. Der Liberalismus hat wesentlich zu Fortschritt und Wohlstand beigetragen. Wettbewerb und die besseren Ideen sind das Erfolgsrezept dazu.
Liberalismus ist die Leidenschaft für Freiheit, Aufgeklärtheit und Vernunft. Er bedeutet unerschrockene Reflexion und das Denken ohne Einschränkung. Liebgewordene Gewohnheiten müssen immer wieder über Bord geworfen werden. Das kann wehtun, aber nur so bleiben wir auf dem Weg des Fortschritts. Liberalismus bedeutet das Annehmen der Tatsache, dass sich die Welt und die Gesellschaft laufend verändern und wir uns anpassen müssen. Dass das Ängste hervorruft, ist nur normal.
Auf diese Ängste müssen wir reagieren. Nicht wie Populisten im negativen Sinne, indem wir Ängste und Sorgen instrumentalisieren. Aber wir können von Populisten durchaus etwas lernen: Sie trauen sich nämlich, Probleme schonungslos zu benennen und unangenehme Fragen zu stellen. Eine gute liberale Politik ist nahe bei den Leuten, indem die Politik vorhandene Ängste und Bedenken aus der Bevölkerung ernstnimmt, anstatt sie auszusitzen oder zu übergehen.
Die Rezepte für vorhandene Probleme müssen aus der liberalen Küche kommen. Was echte Lösungen angeht, haben Populisten bisher wenig vorzuweisen.